St. Marx für alle: Über eine Brachfläche, die nicht mehr brach liegt

Presseaussendung der Initiative St. Marx für alle vom 16. November 2024 anlässlich der Bekanntgabe der Projetktvergabe an den Medienkonzern Eventim. Die Hintergründe können auch hier nachgelesen werden: St. Marx: Privatisierung statt Mitbestimmung.

Über eine Brachfläche die nicht mehr brach liegt.

Wien 3., St. Marx, Karl-Farkas-Gasse, direkt neben der Tangente: Es ist der billigste öffentliche Freiraum der Stadt Wien. Kein anderer Park in Wien bedarf so wenig aktiver Pflege. Wirklich brach ist diese Fläche dennoch nicht. Diverse Vereine, Anrainer:innen und Stadtbewohner:innen nutzen und gestalten die Fläche. Gerade mit Hinblick auf bevorstehende Herausforderungen kann dieser Raum als kostenfreies städteplanerisches Experimentierfeld gesehen werden. Ganz ohne Planungsbüro finden Menschen Wege kollektiv Räume zu erschaffen die ihren Bedürfnissen entsprechen und veränderbar bleiben, um auch neu Hinzukommende aufzunehmen. Ganz nebenbei werden dabei (bis auf verschwindend kleine Mengen Beton für den Skatepark) kaum Ressourcen verbraucht. Menschen lernen sich öffentliche Räume zu schaffen, in denen Fürsorge und Miteinander die Gewinnmaximierung ablösen – einfach so, ohne Planung, in gelebter Praxis.

Doch mit diesem wertvollen Freiraum soll jetzt endgültig Schluss sein, die Wien Holding AG hat den Ort zum Bau einer neuen Eventhalle auserkoren und plant entgegen der öffentlichen Meinung im Bezirk und ohne jeden Anschein von partizipativer, transparenter Planung eine kommerziell genutzte Mega-Eventhalle errichten zu lassen.
Das gewünschte Publikum kommt nicht mit der Bim, sondern mit dem Flugzeug

Die Private Public Partnership mit dem deutschen Großkonzern CTS Eventim soll mittels neuester Eventtechnologie und potenten Marketingstrategien internationale Stars nach Wien holen. Laut Wien Holding geschehe dies der eventhungrigen Wiener Stadtbevölkerung zuliebe. Indem Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke & Co. aber gleichzeitig betonen, man wolle sich mit einer „Must-Play-Arena“ gegenüber Veranstaltungsstätten in München, Hamburg, Bratislava und London behaupten, wird schnell deutlich, dass die Bedürfnisse der Wiener Bevölkerung nicht im Vordergrund dieses Projekts stehen.

Vielmehr geht es um den Konkurrenzkampf im internationalen Städtewettbewerb. Das erwartete Publikum, kommt wohl eher nicht mit der Bim, sondern mit dem Flugzeug (oder öffentlichem Fernverkehr). Die Ticketpreise solcher Mega-Events richten sich dabei klar an Besserverdienende. Geworben wird mit Exklusivität und VIP Erlebnissen, für die das Publikum per Upgrade extra bezahlt.
Begegnungsort für die Nachbarinnen:schaft statt Landmark-Architektur

Die Landmark-Architektur der Halle solle den Anrainer:innen zu einer lokalen Identität verhelfen. In der Nachbar:innenschaft und unter den Nutzer:innen der Fläche, ist die Sehnsucht nach architektonischer Identität allerdings nicht zu verspüren.

Ganz im Gegenteil. Für die Menschen im Viertel hat gerade die Freifläche in ihrer Undefiniertheit und Weite ganz besondere Qualitäten. Sie ist Parklandschaft und Sportfläche zugleich. Sie bietet Ruhe, Wildheit, Abgeschiedenheit, Fernblick. Sie ein Ort für gemeinsame Aktivitäten, ein Ort der Begegnung, ein Ort der Nachbar:innen. Die Freifläche zieht unterschiedlichste Menschen aus vielfältigen Gründen an; eine Qualität, die nur wenige urbane Räume haben und in Wien dringen gebraucht wird.
150 Millionen Steuergeld als Finanzspritze für ein multinationalen Konzern? Zum Thema Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit

Glaubt man Wirtschaftsstadtrat Hanke, würde das Bauprojekt, welches eine halbe Milliarde Euro kosten soll, die heimische Wirtschaft stärken und Arbeitsplätze schaffen. Um dies angemessen beurteilen zu können, müsste sich eins die Wertschöpfungskette im Detail ansehen. Auf den ersten Blick zu beobachten ist aber, dass weltweit agierende Event-Unternehmen wie CTS Eventim oder der unterlegene Konkurrent OVG Bristol, versuchen, die gesamte Wertschöpfungskette unter ihren Marken zu halten — der Ticketverkauf wird heute Großteils online abgewickelt, gastronomische Angebote zu horrenden Preisen innerhalb der Veranstaltungsstätte angeboten, und Merchandise wird wohl kaum in lokalen Betrieben produziert werden. Das Geschäft der umliegenden Wiener Lokalbetreiber:innen wird von der Wien Holding Arena nicht profitieren.

Zur ökologischen Bilanz einer Eventarena lässt sich auch ohne den entsprechenden Daten vorab sagen, dass 1,2 Millionen Becher (=geplante jährliche Besucher:innenzahl) so ökologisch produziert sein können wie Mensch will; An- und Abreise der Gäste werden enorme ökologische Folgeschäden produzieren, für die weder Eventfirma noch Politiker:innen Verantwortung übernehmen werden. Im allgemeinen Bauwahn wird zudem in der öffentlichen Diskussion natürlich vergessen, dass die Errichtung eines solchen Ungetüms ja an sich schon ungleich viel mehr Ressourcen frisst, als der Betrieb. Während die ökologische Katastrophe also beflissentlich übergangen wird, rühmt sich Wiens Stadtregierung stattdessen damit, prekäre Arbeitsplätze in der Eventgastronomie zu schaffen. Qualitätvolle Arbeit, Stadtplanung und Umweltschutz sehen anders aus!
CTS Eventim als Konzern

Der Großkonzern Eventim wurde in Deutschland schon mehrere Male geklagt, uA. vom Kartellamt und vom Konsumentinnenschutz. Während der Coronapandemie erhielt der Konzern über 272 Millionen Coronahilfen vom deutschen Staat, während dieser trotz Pandemie Gewinn machte. Auch in Österreich ist der Konzern schon bekannt, betreibt er doch den OnlineTicket Verkauf OeTicket. Die Entscheidung, diesen Konzern die Halle bauen zu lassen, bedeutet den weiteren Ausbau seiner monopolartigen Stellung und damit weitere Abhängigkeit von ihm, für Konsumentinnen und Künstler*innen. Auch im Vergabeverfahren bleibt ein korrekter Wettbewerb fraglich, wenn sich zwei Bieter für eine Ausschreibung bewerben, der Zweit- und Letztbieter dann den ersten klagt und dadurch das Vergabeverfahren gewinnt.
zum Thema Entertainment – Unvergessliche Momente in St. Marx

Exklusive Angebote für zahlungskräftiges Publikum gibt es in St. Marx heute „leider“ nicht.

Dafür aber ein niederschwelliges Kulturangebot, gemeinsame und kreative Freizeitgestaltung für Kinder, Jugendliche, Erwachsene sowie Senior:innen, selbstgestaltete Gemeinschaftsräume, einen Skatepark, einen Basketballplatz, einen Gemeinschaftsgarten, Flohmärkte, Zirkus, Konzerte.

Wenn Stadtrat Peter Hanke ernsthaft der „reichhaltigen Kulturlandschaft Österreichs eine anziehende Facette hinzufügen“ will, muss er das Hallenprojekt fallenlassen und stattdessen die Kulturinitiativen, Vereine, Kollektive und organisierten Nachbar:innen vor Ort bei ihren gemeinwohlorientierten Aktivitäten unterstützen. Unvergessliche Momente lassen sich nicht in technologisch hochgerüsteten Wunderkammer produzieren, sondern entstehen wenn Menschen gemeinsam sinnstiftenden Aktivitäten nachgehen.

An Orten, die FÜR ALLE offen sind!

Presseaussendung vom 16.11.2024