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Mieter_innen aller Länder: organisiert den Mietstreik!

Eine Sammlung von aktuellen Überlegungen, Strategien, und Praxen zum Mietstreik

Wir kennen Streiks als wichtiges Kampfmittel von Arbeiter_innen und Lohnabhängigen. Lohnerhöhungen, Arbeitsschutz, eine Begrenzung des Arbeitstags und grundlegende Rechte konnten so gegen Unternehmer_innen durchgesetzt werden. Aufgrund des Drucks durch gemeinsames, entschlossenes und solidarisches Handeln wurden diese Erfolge der Arbeitskämpfe auch teilweise in staatlicher Rechtssprechung festgeschrieben. Sie müssen immer wieder verteidigt und neu erkämpft werden. 
Auch Mieter_innen haben ein gemeinsames Interesse: Starken Mieter_innenschutz und einen niedrigen Mietzins.* Immer wieder hören wir von Hausbewohner_innen, die dagegen kämpfen aus ihren Wohnungen „raussaniert“ oder von den Eigentümer_innen geradezu raussterrorisiert zu werden, damit zahlungskräftigere Mieter_innen einziehen können. Von Hausprojekten, die sich gegen ihre Räumung wehren. Es entstehen Initiativen, die gegen Zwangsräumungen, Gentrifizierung und die Verdrängung von kleinen Gewerbelokalen und Mieter_innen aus ihren Vierteln kämpfen. Aus den Initiativen haben sich z.B. in Berlin Kampagnen wie der Mietenvolksentscheid / und „Deutsche Wohnen enteignen“ entwickelt, europaweit vernetzen sich Gruppen in der European Action Coalition for the Right to Housing and the City , um auch auf dieser Ebene Kämpfe zu organisieren. Auch gibt es ein neues Interesse an Mieter_innengwewerkschaften als Organisationsform.
Über Streiks von Mieter_innen – im Arbeitsfeld ein klassisches Kampfmittel – hören wir aber wenig. Doch dies ändert sich gerade in Zeiten der Corona-Krise. Wo für so viele Menschen (gleichzeitig) die Zahlung der Miete zum immer größeren, existenziellen Problem wird bzw. einfach nicht mehr möglich ist. Mieter_innen kämpfen dafür, dass auch die Immobilienwirtschaft, die jahrelang mit unserem Bedürfnis nach Wohnen Milliarden gescheffelt hat, sich an der Krisenbewältigung beteiligt und damit die (Haupt-)Last, wie nach vorangegangenen Krisen immer der Fall, nicht allein die Lohnabhängigen und Mieter_innen tragen müssen. Deshalb organisieren sich momentan Mieter_innen auf der ganzen Welt und Mietstreiks werden als Mittel und Strategie diskutiert und vorbereitet. Mietstreiks sind in Vergessenheit geraten, aber keine historisch neue Praxis. Auf diesen Erfahrungen kann aufgebaut werden. Die folgende kleine Sammlung soll dazu dienen, von diesen Erfahrungen lernen zu können, strategische Überlegungen besser zu teilen und zu erfahren, was in anderen Städten gerade getan wird.


Schon im 19. Jahrhundert und dann verstärkt Anfang des 20. Jahrhunderts haben in Europa und den USA Mietstreiks stattgefunden, mit zum Teil großen Erfolg. In den letzten Jahren gibt es wieder viele Versuche, an Erfahrungen des Streiks anzuknüpfen. “Striking has been part of the union movement for more than a century, and now they’re being used to fight displacement and gentrification,” so Trinidad Ruiz, ein Organizer in Los Angeles im Artikel „Do Rent Strikes Actually Work?“ , der verschiedene Mietstreiks in den USA der letzten Jahre vorstellt sowie deren Risiken und Möglichkeiten diskutiert. Auch auf der Homepage von Crimethinc diskutiert ein Artikel das strategische Potential von Mietstreiks 
Inspirierend sind auch die Mietstreiks von Studierenden in Großbritannien in den letzten Jahren. Sie haben ein Handbuch herausgebracht, in denen sie ihre aktuellen Erfahrungen teilen, einen Mietstreik unter den Bedingungen der Covid 19-Krise zu organisieren  Eine Ressourcenliste und Informationen zum Mietstreik aus den USA, Kanada,Großbritannien und Australien ist auf der Seite The New Inquiry veröffentlicht. In den USA hat sich die Plattform rent strike 2020 gebildet, die sich auf verschiedenen Wegen für einen Mietstreik einsetzt., Aktivist_innen in Quebec haben einen kurzen Leitfaden mit wichtigen Schritten entwickelt. Auch die Right to the city Alliance in den USA und das Radical Housing Journal unterstützen wie viele Organisationen, Projekte und Allianzen die Forderung und die Organisierung zum Mietstreik.  In Montreal haben schon im März Mieter_innen weiße Bettlaken aus den Fenstern gehangen, um ihren Nachbar_innen zu zeigen, dass sie keine Miete mehr bezahlen werden. Von dort hat sich diese Form der Kontakaufnahme mit den Nachbar_innen auf andere Städte in den USA ausgebreitet
Im deutschsprachigen Raum finden sich hier Aufrufe und Hintergründe zum Mietstreik: 

 https://mietstreik.blackblogs.org/

https://mietstreiksalzburg.noblogs.org/

https://mietstreik.ch/
Es wurden auch Petitionen gestarten, die einen Mietenstopp fordern: Bei Coview, eine Plattform zur sozialen und politischen Beobachtung der Covid 19-Krise, organisieren sich Aktive, u.a. in einer Gruppe zu Wohnen, Wohnungslosigkeit und Recht auf Stadt. Sie haben im März eine Petition zum Mietenstopp gestartet.  Mietstopp-Petitionen gibt es weiter von Deutschland bis Australien.

Auf facebook und Co finden sich viele Initiativen von Mieter_innen, die sich vernetzen, bei Twitter findet ihr aktuelle Infos unter den hashtags #rentstrike #CancelRent #Mietstreik


Die Organisierung eines Mietenstreiks ist also nicht nur die Idee einiger Weniger und unrealistisch. Ein Mietenstreik muss gut organisiert werden, es braucht Vertrauen unter den Mieter_innenn, damit er erfolgreich sein kann. Aber um eine solidarische Krisenbewältigung zu schaffen, werden Bitten nicht ausreichen. Die Politik der Umverteilung von unten nach oben wird umso stärker weitergehen, wenn Mieter_innen sich nicht für entschlossene, solidarische Maßnahmen entscheiden. Ein Mietstreik kann eine realistische Strategie darstellen. Beschäftigen wir uns damit! 

Arbeitsgruppe zu Wohnen und Wohnungslosigkeit und Recht auf Stadt von Coview

*[Sowohl progressive Arbeitskämpfe, als auch progressive wohnpolitische Kämpfe fordern nicht (nur) eine Verringerung der Ausbeutung, sondern eine Aufhebung der Ausbeutung: Damit zum einen das Ende des Systems der Lohnarbeit und die Schaffung einer bedürfnisorientierten Produktion, zum anderen die Beendigung der Warenlogik im Wohnbereich – Mit Wohnraum soll kein Profit mehr gemacht werden können, sondern er soll solidarisch für alle geschaffen und bedürfnisorientiert verteilt werden „Die Häuser denen, die sie brauchen!“.]