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Ein Aussetzen von Delogierungen und Mietstundung sind nicht genug!

Ein Aussetzen von Delogierungen klingt ja erst einmal gut, auch dass nicht erfolgte Mietzahlungen zwischen April und Juni kein Kündigungsgrund sein dürfen. Bei einem genaueren Blick zeigt sich jedoch:  Die Maßnahme ist nicht ausreichend, sondern verschiebt das Problem nur in die Zukunft. Das derzeitige Gesetz sieht vor, dass „wirtschaftlich erheblich beeinträchtigte Personen“ bis zum Jahresende Zeit haben, um die Miete von April, Mai und Juni zurückzuzahlen.  Das sind also 6 Monate, in denen sowohl die regulär anfallende Miete als auch die der Monate April-Juni bezahlt werden soll. In diesen Monaten ist also die 1,5-fache Miete zu bezahlen. Und 4 % Verzugszinsen kommen auch noch dazu. Wer hier die Krise Schultern muss, wird schnell klar, die Immobilienwirtschaft, die jahrelang mit unserem Bedürfnis nach Wohnen und steigenden Mieten Milliarden gemacht hat, jedenfalls nicht.  Diese „Lösung“ ist vor allem für Menschen mit wenig Einkommen kaum leistbar. Die folgende Rechnung soll beispielhaft aufzeigen, wie groß dieses Problem ist, und dass ohne weitere Maßnahmen praktisch eine Garantie dafür besteht, dass viele Menschen ihre Wohnung im nächsten Jahr verlieren werden.

Ein Viertel der niedrig verdienenden Haushalte zahlte vor der Coronakrise schon 50% des Haushaltseinkommens fürs Wohnen. Selbst wenn diese Haushalte ab Juli wieder genau so viel verdienen wie vorher, müssten sie jetzt das 1,5-fache, also 75% des Haushaltseinkommens für Wohnen zahlen. Das ist viel zu viel und wird viele Menschen in große Armut stürzen.Darüberhinaus wird in dieser Rechnung davon ausgegangen, dass diese Haushalte ab Juli wieder so viel verdienen wie vor der Coronakrise, was unwahrscheinlich ist, da Branchen wie der Tourismus oder Kultur sicher noch länger brauchen werden, um sich zu erholen.

Einige Menschen sind allerdings noch schlimmer betroffen. 10% der niedrigverdienenden Haushalte hatten vor der Coronakrise einen Wohnkostenanteil von 74% oder mehr. Würden sie nun das 1,5-fache der normalen Miete zahlen, könnten sie sich ihre Wohnung schlichtweg nicht mehr leisten, selbst wenn sie ihr gesamtes Einkommen fürs Wohnen aufwenden würden. Und immerhin sind „10% der niedrigverdienenden Haushalte“ 123.800 Haushalte.

Und es sollte nicht vergessen werden, dass die EU ab einer Wohnkostenbelastung von 40% von einer „hohen Wohnkostenbelastung“ spricht, wir hier also nicht einmal über hochbelastete, sondern wirklich nur über enorm belastete Haushalte sprechen, und es trotzdem noch wirklich viele sind.

Arbeitsgruppe Wohnen/Wohnungslosigkeit und Recht auf Stadt von Coview