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Volksstimme: Lagezuschläge & Mietenwahnsinn. Ein Gespenst geht um in Österreich von Josef Iraschko

Josef Iraschko, Recht-auf-Stadt-Aktivist, Mietrechtsexperte und KPÖ-Bezirksrat für Wien anders in der Leopoldstadt, analysiert für die Volksstimme die aktuellen Regierungsvorhaben und welche Auswirkung diese auf steigende Mieten haben werden. Neben Privatisierungen soll vor allem das umstrittene System der Lagezuschläge weiter gefördert werden.

Besonders beschäftigen muss man sich mit dem Lagezuschlag, weil viele MieterInnen mit dem Begriff nichts anzufangen wissen und daher auch nicht verstehen, wie sich dieser auf die ständig wachsenden Mieten auswirkt. In den Mietverträgen gibt es nämlich keine Auflistung, wie hoch der Lagezuschlag für die anzumietende Wohnung ist. Dieser mit der sogenannten Wohnrechtsreform von 1994 (genauer: drittes Wohnrechtsänderungsgesetz) und einer eigenen Gesetzesmaterie (Richtwertgesetz) eingeführte Begriff, hatte angeblich das Ziel mehr und damit preisgünstigere Wohnungen auf den Markt zu bringen. Freudig erregt über diesen wegweisenden Einfall stimmten die von der SPÖ-Regierung Vranitzky geführte damalige rot-schwarze Koalition und sämtliche anderen Parteien begeistert zu. Heute wissen wir es genauer: damals wurde die Grundlage für die heute derart extreme Mietsituation geschaffen.

Ziel war und ist es in erster Linie Eingriffe in den geschützten Altbaubestand – vor allem in Wien – im Falle von Neuvermietungen durchzusetzen. So wäre beispielsweise heute der bis 1994 geltende Kategoriemietzins für eine Kategorie-A-Wohnung 3,60 pro Quadratmeter (für die es keinen Lagezuschlag gibt). Der neue Richtwert bedeutet für die gleiche Wohnung 5,58 Euro pro Quadratmeter (ohne Lagezuschlag). Also mit einem Federstrich wurde damals die Miete um 2,00 pro Quadratmeter »preisgünstiger« gemacht. Sämtliche Mietverträge nach 1994 fallen unter dieses Regime. Aber das war der Immobilienwirtschaft zu wenig an Zugeständnissen und so wurde der sogenannte Lagezuschlag eingeführt. Die Lagezuschläge orientieren sich an den Immobilientransaktionen im Althausbereich und somit an steigenden Immobilienpreisen. Diese Kaufpreissammlung wird bei den automatischen Indexanpassungen alle zwei Jahre neu berechnet. Ein Rechenbeispiel aus der Praxis: In der Praterstraße lag der Lagezuschlag am 1.4.2010 bei 0,60 Euro pro Quadratmeter und am 1.4.2017 (letzte Indexanpassung) lag er dann bei 2,18! Das bedeutet, gemessen am Kategoriemietzins, eine Steigerung der Nettomiete auf 7,76 Euro pro Quadratmeter, also eine Anhebung innerhalb von sieben Jahren um sagenhafte 115,55 Prozent! Kostet zum Beispiel eine 60m²-Wohnung nach dem Kategoriessystem netto 216,00 Euro, so kostet die gleiche Wohnung, ohne auch nur irgendeine Investition von Seiten der EigetnümerInnen, heute 465,60 Euro. Dabei reden wir noch gar nicht davon, dass viele dieser Altbauwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Da lässt sich noch eine Menge Kohle machen, worauf die Immobilienwirtschaft und ihre Regierung bauen. (…)

Die Regierung will das Lagezuschlags-Verbot in Gründerzeitviertel aufheben. Das wird in Wien etwa in der Gegend um den Gürtel im Neuvermietungsfall die Mieten um mehr als 60 Prozent für rund 100.000 Wohnungen erhöhen. Dadurch wird das Spekuationskarussell um Wohnraum noch stärker vorangetrieben werden. Die Vertreibung der AltmieterInnen aus ihren noch günstigen Wohnungen ist Programm, stehen doch diese MieterInnen einer intensiven Verwertung von Wohnraum entgegen.

Weiter lesen in der Volksstimme Juni 2018.